Pfingsten feiern wir als Fest des Heiligen Geistes, der kräftig wie Feuer oder Wind dargestellt wird. Erfüllt vom heiligen Geist fingen die Jünger an zu predigen „in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab“ (Apg 2,6). Die souveräne Macht dieses Geistes kann eine starke Veränderung im Verstehen hervorrufen – ohne Gewalt auszuüben. „Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht Gott.“ (Sacharja 4,6) Andere Begriffe für diesen Geist sind Dynamik, Tröster, verbindende Kraft. Sein „Sinn“ ist dreifach: 1. Richtung: Gottes Wirken hat ein Ziel, ist kein Zufall. 2. Verstehen oder Gemeinsinn: Durch den Geist können wir Sinn im Leben begreifen, Bezüge herstellen und Sinnstiftendes tun. 3. Sinnlichkeit: Der Geist hängt mit konkreten und körperlichen Erfahrungen zusammen.
Der Körper des Heiligen Geistes ist die Kirche. Auch Begeisterung braucht eine irdische Struktur, sonst wird das Geistliche esoterisch und abgehoben. In einem durchaus wechselhaften Entwicklungsprozess macht die menschliche Gemeinschaft „Kirche“ leider auch fatale Fehler, gerade wenn sie auf brutale Macht vertraut, statt auf geistreiches Verstehen. Ähnlich funktioniert auch das menschliche Denken im Körper fehlerhaft – und doch besser als jede Maschine. Trotz der Fehler wirkt der Geist auf wunderbare Weise genial, schafft Gemeinschaft, Freude, Hilfsbereitschaft, Empathie, Erneuerung, Frieden und vieles mehr, das uns verbindet – weltweit.
Pfingsten ist die Gegengeschichte zum Turmbau zu Babel, der am Ende durch Sprachverwirrung, Abgrenzung und Überheblichkeit zum Erliegen kam. Die Jünger Jesu, die gerade noch irritiert und mutlos waren, überkommt an Pfingsten diese große Kraft wie ein Sturmwind. Bewegt vom Heiligen Geist sprechen sie von Jesus Christus, und da geschieht das Wunder: Jeder kann sie in seiner Sprache verstehen. Viele lassen sich taufen. Die Kirche ist geboren: eine weltweite Gemeinschaft, in Gemeinden vor Ort lebendig, mit gleichem Fundament und gleichen Werten, in einem dynamischen Miteinander. Der Geist wirkt durch die Kirche, aber auf unverfügbare Weise. „Der Geist weht, wo er will.“ (Joh. 3,8) Deshalb bleibt es spannend: Wir müssen immer neu herausfinden, wie wir Gottes Geist in unserem Handeln gerecht werden.
Jürgen Tiemann
Superintendent des Ev. Kirchenkreises Minden