„Jetzt ist endlich Frieden zwischen uns!“ Der Sohn am Krankenbett seiner alt gewordenen Mutter ist gerührt. Ihm kommen die Tränen. Tränen der Erleichterung und Dankbarkeit. Jahrelang hat er auf das gewartet, was gerade passiert ist. Seine Mutter hat ihn um Entschuldigung gebeten. Eine zentnerschwere Last ist von seinen Schultern genommen. Die jahrelangen Anschuldigungen, die verletzenden Worte, die verzweifelten Gedanken sind vorbei. Jetzt ist Frieden!
Als Krankenhausseelsorgerin habe ich gestaunt. Ich weiß genau, wie schwer es für die Mutter war, diesen Schritt zu gehen. Wie weit wird der Friede zwischen den beiden reichen?
„Reichweite Frieden“ – dieses Motto hat die Ökumenische FriedensDekade für dieses Jahr gewählt. Vom 7.11. bis zum 17.11. 2021 gibt es in ganz Deutschland dazu zahlreiche Veranstaltungen: Gottesdienste, Konzerte, Ausstellungen und vieles mehr. Ein aktuelles Thema angesichts von rechtspopulistischen Strömungen in unserer Gesellschaft, kriegerischen Konflikten in der Welt, angesichts von Antisemitismus und Rassismus.
Krieg und Gewalt haben eine furchtbare Reichweite. Folter, traumatische Erfahrungen können Menschen bis an ihr Lebensende belasten. An den Folgen von Kriegen haben noch spätere Generationen zu tragen.
Frieden reicht weiter. Bis in Gottes Friedensreich hinein. Dort wird es kein Leid, kein Geschrei und keine Schmerzen mehr geben (Offenbarung 21,4).
Etwas davon können wir schon jetzt aufblitzen sehen. Immer, wenn Frieden entsteht. Frieden beginnt im Kleinen. Mit einer Sehnsucht im Herzen. Mit einem Lächeln, das zwischen Menschen Brücken baut. Frieden entsteht, wo Vorurteile Andersdenkenden gegenüber ausgeräumt werden. Wo die Hand zur Versöhnung ausgestreckt wird, auch wenn es Überwindung kostet. Wie bei Mutter und Sohn, die ich als Krankenhausseelsorgerin besucht habe. Ich hoffe, dass die beiden noch eine gute Zeit miteinander erleben. Dass die Mutter irgendwann in Frieden sterben kann. Und der Sohn in Frieden weiterlebt.
Pfarrerin Melanie Drucks
Evangelische Krankenhausseelsorgerin, Johannes Wesling Klinikum Minden