
Wort zum Sonntag
Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.
Ein neues Kirchenlied
Gerade läuft ein neues Kirchenlied im Radio. Wenn ich im Auto bin oder im Badezimmer singe ich es mit Chris Martin von Coldplay, tINI, Little Simz, Burna Boy und Elyanna. Ich singe nicht nur, ich bete auch – denn genau darum geht es in dem Popsong „And so we pray“. Ich singe und bete mit, dass ich mein Bestes geben kann – und damit auch andere ermutige.
„Pray that I don′t give up, pray that I do my best, pray that I can lift up, pray my brother is blessed.“
Ich singe und bete für meine Brüder und Schwestern. Ich bete um Kraft und Segen nicht nur für mich, sondern letztlich für alle Menschen und für unseren weltweiten Zusammenhalt.
„Praying on your love, we pray with every breath though I’m in the valley of the shadow of death.“
Ich bete mit im Geist der Liebe, mit jedem Atemzug. Das ist leicht im Auto, das ist schwerer, wenn ich durch das Tal des Todesschattens gehe, wie das lange vor uns Menschen in Psalm 23 formuliert haben. Das ist schwer, wenn ich Angst um mein kleines Leben bekomme oder in die Zeitung schaue. Aber besonders dann, wenn es leicht wird, anderen die Schuld an meiner Lage zu geben, dann singe ich lauter, dass wir es zusammen schaffen, unsere, vielen Krisen zu bewältigen. Nicht auf meine Kosten und nicht auf die von anderen, sondern mit gemeinsamem Einsatz.
„So for the ones who parted the seas, for the ones who followed dreams, for the ones who knocked down doors, and allowed us to pass down keys.“
Also bete ich auch mit für die, die mir darin Vorbilder sind. Wie Mose, als er das jüdische Volk aus der Sklaverei führte. Oder die Menschen, die den Traum von einer Welt voller Frieden und Gerechtigkeit für alle nicht aufgeben und dafür auch mal Türen eintreten und dann neue Schlösser einbauen, zu denen alle die Zugangsberechtigung haben.
Ich singe und bete und hoffe mit.
„′Til nobody’s in need and everybody can sing.“
Solange bis niemand mehr das Nötigste fehlt und allen danach ist, mitzusingen.
Singen und beten Sie mit?

Katrin Berger
Pfarrerin, Ev.-Luth. Kirchengemeinden Bergkirchen und Oberlübbe-Rothenuffeln
Gedanken zum Sonntag „Okuli“
„Okuli“, so heißt der kirchliche Name des morgigen Sonntags. Das heißt auf deutsch: Augen, und steht für das Zitat aus Psalm 25: „Meine Augen sehen stets auf den Herrn, denn Er wird meinen Fuß aus dem Netze ziehen.“
Wird er das wirklich?, fragen wir mehr oder weniger ungläubig. Angesichts einer Welt, die gerade ist, wie sie ist: Breitbeinige Despoten haben Konjunktur und versuchen die Welt unter sich aufzuteilen, und Deutschland taumelt am Abgrund und versucht seine Rolle neu zu (er-)finden zwischen Ampel-Aus, Wirtschaftskriegen, EU-Streit und „beleidigte-Leberwurst-Spielen“ im Bundestag.
„Allein,“ schreibt Reinhard Mey. „Wir sind allein. Wir kommen und wir gehen ganz allein. Wir mögen noch so sehr geliebt, von Zuneigung umgeben sein; die Kreuzwege des Lebens geh´n wir immer ganz allein. Allein.“ – Hat er recht?
Der biblische Hiob widerspricht: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er sich über dem Staub erheben.“
„Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung“, auch das ein Wort aus der jüdischen Tradition, das in der gegenwärtigen Politik keine Rolle mehr zu spielen scheint.
Erinnerung an Schuld und Untergang, aber auch Erinnerung an das, was Jesus uns gelehrt hat: Nicht nur das „Nie-mehr-allein-Sein“ (Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt!), sondern auch, dass alles, was Hass und Gewalt, Egoismus und Lieblosigkeit war, im Feuer verzehrt werden wird, alles aber, was Liebe war auf ewig bewahrt sein wird.
Und wenn wir darauf setzen und vertrauen, dann dürfen wir dem „Jungen, der an die frische Luft musste“, Hape Kerkeling dann doch hoffnungsfroh zustimmen. Nach dem Suizid seiner Mutter, der ihm schwer zu schaffen machte, liegt er abends wach, denkt über alles nach, was war, und plötzlich kommt ihm der Gedanke: „Vielleicht kann ja doch noch einmal etwas ganz Schönes kommen.“
Mit dieser Hoffnung kann man schon weiter gehen.

Volker Niggemann
Pastor an St.-Matthäus, Rechtes Weserufer
Legenden
Es gibt kaum einen Ehrentitel, der im Sport so inflationär verwendet wird, wie der Begriff Legende. Die Sport-Vermarktung muss ja auch sprachlich unterfüttert werden, und so taugt jeder noch so junge Bengel nach irgendeiner Statistik zur Legende. Was aber sind eigentlich Legenden?
Das Wort legenda bedeutet „das, was man lesen soll“. Und was soll gelesen werden? Es ist eine Lesung über das Leben eines Heiligen an dessen Namenstag, wenn eine gottesdienstliche Feier stattfindet. Diese Erzählungen sind Beispielgeschichten von Märtyrerinnen und Märtyrern, die als Vorbilder in ihrem Martyrium nach einem bestimmten Muster stilisiert wurden, auch wenn über sie keine historischen Nachrichten mehr vorlagen. Als Heilige lebt ihr Name seit Jahrhunderten weiter, das macht sie zu Legenden. Wollen unsere Sportler in diesem Sinne einmal Legenden werden, dann muss ihre Biographie etwas erzählen, was für andere Menschen beispielhaft ist.
Menschen, die trotz großen Widerstands ihren Weg gehen, können für andere zur Anregung und Bereicherung werden, zu einer Quelle der Lebensweisheit und Kraft. So war z. B. Muhammad Ali ein Leitstern für den Kampf der Schwarzen um Anerkennung. So war der Läufer Emil Zatopek ein Vorbild an Ausdauer und Mitmenschlichkeit, dem man nach der Niederschlagung des Prager Frühlings seine Menschenwürde nehmen wollte. Sein Name wurde aus Schulbüchern gestrichen. Aber seine Inspiration für das Laufen lebt noch nach dem Ende der UdSSR.
Der Heilige Sebastian ist der Heilige der Sportlerinnen und Sportler. Dessen Legende besagt, dass er unter Diokletian zum Tode verurteilt wurde, weil er sich als Christ um Gefangene gekümmert hatte und sein Christsein öffentlich verteidigte. Eine Hinrichtung mit Pfeilen hat er überlebt. Er ist eine Legende wegen seiner körperlichen Ausdauer und seiner Tatkraft bei der Verbreitung und der Verteidigung des Glaubens. Die Welt braucht Menschen, die zu Legenden werden, die sich für Mitmenschlichkeit und gegen Rassismus und Intoleranz einsetzen und dafür geradestehen, weil ihr Glaube ihnen Kraft gibt. Wenn Sportlerinnen und Sportler Rekorde in ihrer Sportart verbuchen können, werden sie berühmt. Legenden in unserem Sinne werden sie erst, wenn sie für uns Vorbilder für Versöhnung und Toleranz werden, für Fairness und Mitmenschlichkeit trotz politischem und wirtschaftlichem Druck.

Clemens Becht
Pfarrer der Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien, Pfarrbezirk VI (St. Lukas)