Wort zum Sonntag
Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.
Gedanken zum Sonntag
Die Klinke ließ sich drücken. Die Tür aber leistete Widerstand und blieb zu. Wie oft habe ich das erlebt, dass ich nicht in die Kirche am Ort hineinkonnte. – Wie oft haben Sie liebe Leserin und lieber Leser das Gleiche erlebt? – Nur für einige Momente ausspannen, sich von dem Raum, seiner Architektur, den Bildern und den vertrauten Einrichtungsgegenständen inspirieren lassen. Dem Alltag etwas entgegensetzen, um danach befriedet, gestärkt und mit einem guten Gedanken zurückzukehren in den Tageslauf. – Das ist heute immer seltener möglich, da die meisten Kirchen verschlossen sind. Wen wundert es da noch, dass die Menschen fernbleiben und der Kirche den Rücken kehren. –
Wie anders war es da noch zu biblischen Zeiten. Die Menschen drängten sich mit ihren Fragen, ihren Nöten und ihrem Suchen nach Hilfe um den Mann aus Nazareth. Und manche waren dabei so energisch, dass sie sich auf ungewöhnliche Weise Zugang verschafften. Sie stiegen einfach auf das Dach des Hauses in dem Jesus sprach und deckten es ein Stück weit ab, um ihrem kranken Freund Hilfe zu verschaffen. So zu lesen bei Lukas 5, 17-26. – Eine für mich insofern eindrückliche Geschichte, als dass die Maßnahme die Dringlichkeit und Not versinnbildlicht, in der Menschen nach Gott fragen.
Niemand sollte in unseren Tagen zu solch drastischen Maßnahmen greifen müssen. Viele Gemeinden aber führen gerade die Gefahr zerstörerischer Taten als Grund dafür an, ihre Kirchbauten zu schützen, indem sie Tor und Tür verriegeln und nur zu den Gottesdienstzeiten zu öffnen. Aber ist diese kurze Stunde in der Woche nicht ein zu geringes Zeitfenster? Menschen brauchen heute mehr denn je einen Zugang zu einem Ort, der eine Zuflucht und damit erste Hilfe, Trost und Unterstützung bietet. Eine offene Kirche wäre eine stille und unmissverständliche Einladung Zugang und einen unaufdringlichen, geschützten Kontakt zum christlichen Glauben zu ermöglichen. Immerhin sind in unserem Kulturraum die Kirchbauten die sichtbarste, deutlichste und von Sprechzeiten und Erreichbarkeit unabhängige Präsenz für eine Kraft, aus der Menschen über so lange Zeit Halt und Orientierung für ihr Leben gewonnen haben und nach wie vor gewinnen. Vielleicht sind es gerade die Gemeinden, die eine stets offene Kirche vorhalten, die auch tatsächlich offen sind für Menschen und ihre Bedürfnisse nach Halt und Orientierung im Leben. In diesem Sinne: Mut zur Offenheit! – Ich würde mich freuen.
Christoph Kretschmer
Pfarrer, am Freiherr vom Stein Berufskolleg
Martinstag
Am 11. November ist Martinstag. In vielen Kindergärten finden um diesen Tag Laternenumzüge statt; manchmal mit einem richtigen Pferd und einem Reiter darauf.
Zur Erinnerung an Martin von Tours. Er war vor langer Zeit als Reitersoldat in der Kaiserlichen Garde in Amiens stationiert. An einem Wintertag begegnete er am Stadttor einem armen, frierenden Mann. Er teilt seinen Mantel mit dem Schwert und gab eine Hälfte dem Armen. In der folgenden Nacht sei ihm dann im Traum Christus erschienen, bekleidet mit dem halben Mantel. Und an eine zweite Geschichte will ich erinnern. Leo Tolstoi hat sie geschrieben – die vom Schuster Martin. Martin hört eines abends die Stimme Jesu: „Morgen will ich zu dir kommen.“ Am nächsten Tag wartet er. Er lädt den Straßenkehrer
Stephan ein, sich bei ihm aufzuwärmen. Er gibt einer jungen Frau mit ihrem Kind eine warme Suppe, schenkt ihr für das Kind ein Paar Schuhe. Eine Marktfrau, der ein kleiner Junge einen Apfel gestohlen hatte, kann er besänftigen. Abends ist Martin enttäuscht. Jesus hat ihn nicht besucht. Er hört dann abermals die Stimme: „Ich bin bei dir gewesen, Martin. Hast du mich erkannt?“ Sie wissen es längst. In dem Straßenkehrer, der jungen Frau und ihrem Kind, der Marktfrau und dem Jungen war er gekommen. Anrührende Geschichten, die einen biblischen Text aufnehmen. Dort sagt Jesus: „Alles, was ihr den Armen getan habt, das habt ihr mir getan.“ Zwei Dinge finde ich bemerkenswert. Christus hat viele Gesichter. Wo Menschen leiden in ihrer Not, da leidet er selber. Not ist vielfältig. Das zweite: Nichts ist vergeblich getan oder zu gering. Eine Suppe rettet nicht die Welt. Aber in der Suppe steckt Barmherzigkeit. Liebe. Güte. Achtung. Wir brauchen mehr Suppe oder was sonst die Not lindert.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag.
Dieter Maletz
Pfarrer, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Oberlübbe
Ein Moderator im Radio: „Halloweenkostüm? Lass uns mal als Tür gehen, mit 95 Zetteln drauf. Ist ja schließlich Reformationstag. Wär doch cool.“
Finde ich auch. Seit Tagen lässt mich die Idee nicht los: welche 95 Sätze würden auf meinem Kostüm stehen? Denn so nötig Luthers Thesen vor rund 400 Jahren waren, wir brauchen heute andere. Man kann man über den Reformstau der Kirche immer reden, aber die entscheidende Frage ist doch, was hat Kirche mit mir und mit meinem Glauben zu tun.
Über Kirche schimpfen, kein Problem. Aber ich bin Teil der Kirche. Kirche ist nicht abstrakt. Kirche, das bin auch ich. Kirche sind wir als Glaubende und Suchende, als Menschen, die nach Gott fragen, mit Gott leben. Gott lässt uns als Christen nicht allein durchs Leben gehen. Er stellt uns in eine Gemeinschaft. Weil es nämlich viel einfacher ist, mit meinen Fragen und Erfahrungen jemanden zum Reden zu haben. Das geht natürlich im Gebet. Aber manchmal muss ein Mensch her, mit dem ich meinen Glauben, auch meine Zweifel teilen kann, um zu überprüfen, ob ich in meinem Denken über Gott richtig liege.
Dafür ist Kirche da: ein Ort, wo ich glaubensmäßig auftanken kann. Wo jemand für mich betet. Wo wir gemeinsam in der Bibel herauszufinden versuchen, was Gott uns denn heute zu sagen hat und was das mit unserem Leben zu tun hat. Hier bekomme ich die Zusage, dass Gott mich liebt. Und das wir als Christen diese Liebe weitergeben sollen in jeden Winkel dieser Erde.
Auf meinem Kostüm sollten mutmachende, hoffnungsvolle Worte und Texte stehen. Denn Kirche, die Gemeinschaft von Christen hat etwas zu bieten. Genauer: Gott bietet eine Hoffnung, die über menschliches Fehlverhalten in Kirche hinausgeht. Auf meinem Kostüm sollte stehen, dass Gott uns begleitet. Dass wir uns an ihn wenden dürfen, er hört uns zu, schenkt Vergebung, Heilung, Gnade. Von Gottes Barmherzigkeit sollte zu lesen sein, die in Jesu Tod und Auferstehung ihren Höhepunkt hat und uns bis heute gilt. Von Gottes Liebe. Die wir erleben und weitergeben. Denn zu lieben sind wir da.
Pastorin Nicole Bernady
Ev.-methodistische Kirche – Gemeinde mit Herz