Wort zum Sonntag

Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.

Staunen lernen

Martin Luther soll einmal sinngemäß gesagt haben: „Es gibt nichts, was der Mensch so gut im Gedächtnis behält, wie die Kränkungen und nichts, was er so schnell vergisst wie das Gute, das ihm widerfährt.“
Ich kann dem Spruch Luthers nichts entgegensetzen, die mir widerfahrenen Kränkungen habe ich sehr lebendig im Gedächtnis, das Gute nehme ich für gewöhnlich als selbstverständlich hin und vergesse es ganz schnell.
Da ist es sehr ratsam, sich bewusst zu machen, wie reichlich wir hier im Kreis Minden-Lübbecke beschenkt werden mit Sachen, welche viele, vielleicht die meisten Menschen in der Welt vermissen müssen.
Ein Beispiel gefällig? Ich gehe davon aus, dass wir alle, die wir diese Zeilen lesen, wissen, wo und wann wir das nächste Mal essen werden. Wie viele Menschen in den Kriegs- und Krisengebieten der Welt wissen es nicht und wie glücklich wären sie, wenn sie mit uns tauschen könnten.
Dabei ist es gar nicht selbstverständlich, dass wir im Frieden und Wohlstand (noch) leben dürfen. Wenn wir diese Tatsache als selbstverständlich betrachten, dann haben wir natürlich auch keinen Grund, dafür Gott „Danke“ zu sagen, aber dann müssen wir damit leben, dass wir keine Freude für diese Gabe und erst recht nicht für die Liebe Gottes, die hinter dieser Gabe ist, empfinden.
Vor dieser Undankbarkeit und der daraus folgenden Freudlosigkeit will uns Christian Fürchtegott Gellert mit der Botschaft seines Liedes bewahren:

1) Wie groß ist des Allmächt’gen Güte!
Ist der ein Mensch, den sie nicht rührt,
der mit verhärtetem Gemüte
den Danke erstickt, der ihm gebührt?
Nein, seine Liebe zu ermessen,
sei ewig meine größte Pflicht.
Der Herr hat mein noch nie vergessen;
vergiss, mein Herz, auch seiner nicht!

2) Wer hat mich wunderbar bereitet?
Der Gott, der meiner nicht bedarf.
Wer hat mit Langmut mich geleitet?
Er, dessen Rat ich oft verwarf.
Wer stärkt den Frieden im Gewissen?
Wer gibt dem Geiste neue Kraft?
Wer lässt mich so viel Guts genießen?
Ist’s nicht sein Arm, der alles schafft?

 

Daniel Brüll

Daniel Brüll

Pfarrer, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Petershagen

Kirchen – Wegweiser des Lebens

Mein Lieblingsurlaub: In die Pedale hängen und ab die Post – egal wo und wohin, am besten direkt von zu Hause und einfach drauf los. Gleich vor der Haustür steht die weite Welt offen, findet sich immer ein Pfad, auf dem ich Gottes Natur mit allen Sinnen genießen kann, ungestört von motorisierten (fossil oder regenerativ hin oder her) Zeitgenossinnen. Außer dem Stand der Sonne, der Richtung der Flüsse und gutem Pfadfindergespür brauch‘ ich nur eins: die Türme der Kirchen, die auf dem platten Land als Erste die Lage von Dörfern und Städten verraten.
Gerade im Urlaub können Menschen Kirchen als Wegweiser entdecken, auf der Suche nach dem Woher, Wohin und Wofür des persönlichen Lebens. Kirchen ermöglichen Identität auf mehreren Ebenen, für die persönliche Identität der einzelnen Menschen wie für die kollektive Erfahrung als Gemeinschaft. Mehr als eine Immobilie, sind sie ein Symbol, das Zusammenhalt stiftet, über den individuellen Rahmen hinaus in familiären, nachbarschaftlichen und kommunalen Bezügen. Immer wieder erinnern sie uns daran, dass das Leben mehr ist als was wir vor Augen haben und mehr als das, was wir durch Leistung, Geld oder Zufall erringen.
Wie die fünf Finger einer Hand zeichnen die markanten Türme der alten Kirchen Mindens ein beeindruckendes Panorama des reichen historischen Erbes unserer Stadt, das Besucherinnen von weither anlockt. Als Symbol für die Fundamente des christlichen Glaubens – Glaube, Hoffnung, Liebe – und als Symbol für die tragenden Werte unserer Gesellschaft – Solidarität mit Bedürftigen, Respekt vor anders Denkenden und anders Glaubenden, Gewissensverpflichtung auf Gerechtigkeit und Wahrheit – sind und bleiben sie gerade auch in unserer pluralistischen Zeit das, als was sie einst gebaut worden sind: Wegweiser zum Himmel – und damit zum Leben. Für uns alle. Gerade auch im Bewusstsein der Kirchen, selber immer wieder in die verkehrte Richtung gelaufen zu sein und zu laufen.

Andreas Brügmann

Andreas Brügmann

Pfarrer an der Offenen Kirche St. Simeonis

Urlaubszeit

Die Beine baumeln lassen, gemütlich auf einem Liegestuhl sitzen oder baden im Meer, wandern in den Bergen, die Wolken beobachten, die Vögel am Himmel wahrnehmen, das Leben genießen.
Wenn ich an dieses Lebensgefühl denke, dann kommen mir die Gedanken des Liederdichters Joachim Neander in den Sinn.
1680 dichtet er ein Schöpfungslob, dass seinesgleichen sucht:
EG 504

  1. Himmel, Erde, Luft und Meer zeugen von des Schöpfers Ehr; meine Seele, singe du, bring auch jetzt dein Lob herzu.
  2. Seht das große Sonnenlicht, wie es durch die Wolken bricht; auch der Mond, der Sterne Pracht jauchzen Gott bei stiller Nacht.
  3. Seht, wie Gott der Erde Ball hat gezieret überall. Wälder, Felder, jedes Tier zeigen Gottes Finger hier.

Dieses Loblied fühlt sich an wie ein großes Gemälde und verweist uns zugleich darauf, dass wir es mit Gottes Schöpfung zu tun haben, die wir genießen, in der wir uns erholen. Ein Gemälde aus den Händen Gottes, der uns diese einmalige Schöpfung anvertraut hat, damit wir sie in seinem Sinne bebauen und bewahren.

  1. Seht, wie fliegt der Vögel Schar in den Lüften Paar bei Paar. Blitz und Donner, Hagel, Wind seines Willens Diener sind.
  2. Seht der Wasserwellen Lauf, wie sie steigen ab und auf; von der Quelle bis zum Meer rauschen sie des Schöpfers Ehr.

Wirklich alles kommt aus Gottes Hand, von der kleinen Biene bis zum großen Wal. Diese Bilder entschleunigen mich in meinem Urlaub, laden mich ein, Ruhe und Erholung zu finden. Zugleich aber verweist mich all das, was ich in der Natur erlebe auch auf mich selbst und auf den Schöpfer aller Dinge:

  1. Ach mein Gott, wie wunderbar stellst du dich der Seele dar! Drücke stets in meinen Sinn, was du bist und was ich bin.

Denn Gott ist es, der uns das alles schenkt und anvertraut. Was also bleibt mir zu tun?
Urlaub machen – ja, und zugleich darauf achten, dass ich sorgsam mit dem Umfeld umgehe, in dem ich Urlaub mache, denn: Himmel, Erde, Luft und Meer, zeugen von des Schöpfers Ehr.

Thomas Pfuhl

Thomas Pfuhl

Pfarrer, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde St. Martini, Bezirk Erlöserkirche