Wort zum Sonntag

Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.

Erinnerungen

​Eine verstorbene Verwandte pflegte gerne zu „sparen“. Sie kaufte ganz viele Kleidungsstücke für ihre Kinder und die ganze Großfamilie zum Sonderpreis ein und rechnete uns dann vor, wieviel Geld sie doch beim Einkauf gespart habe. Beim Einkaufen erinnere ich mich an sie und nehme mir lächelnd vor, auch ganz viel zu „sparen“.
Gerade die kleinen Dinge des Alltags sind es oft, die mich an die Verstorbenen erinnern. Wie derjenige am Fenster gestanden hat und gewunken hat oder liebevoll den Garten gepflegt hat. Die Vorlieben beim Essen, die Lieblingsthemen bei Gesprächen, die kleinen Marotten und Gewohnheiten.  Die inneren Bilder bleiben mit uns und gehen mit uns durch das Leben. Wenn wir uns Geschichten von früher erzählen, dann fühlen wir uns den Verstorbenen nah. Die Erinnerungen schmerzen, aber es ist auch schön, sie zu haben.  Manchmal bricht in Gesprächen Heiterkeit aus, wenn es um besondere Aussprüche des Verstorbenen geht. „Ja, genau, und dann hat sie immer gesagt…“
Am morgigen Sonntag ist in der evangelischen Tradition Ewigkeitssonntag, auch Totensonntag genannt. Die Namen der Verstorbenen des vergangenen Kirchenjahres werden in den Gottesdiensten vorgelesen und Kerzen für sie angezündet, Angehörige besuchen die Gräber, Posaunenchöre spielen auf den Friedhöfen.
So wie die Erinnerungen bleiben, bleibt auch der Name jedes Menschen. Beim Propheten Jesaja heißt es: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. (Jes.43, 1)
Wir rufen die Namen vor Gott aus, weil er uns beim Namen ruft. Er kennt uns und gibt uns nicht verloren, auch nicht im Tod.  Wir können darauf vertrauen, dass wir die Verstorbenen gehen lassen können in das Licht der Ewigkeit.
Ich wünsche Ihnen Trost und Licht im trüben November!

Mirjam Philipps

Mirjam Philipps

Pfarrerin, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Windheim

Volkstrauertag

Auf dem Hauptweg eines Friedhofs, eingehüllt in das graue Licht eines Novembermorgens, schreiten zwei Männer und eine Frau mit einem Kind an der Hand mit schweren Schritten voran.
Sie erreichen eine Gedenktafel und halten inne, umgeben von einer erdrückenden Stille. Einer der Männer, tritt vor, hebt ehrfurchtsvoll seinen Hut und hält ihn gegen seine Brust. „Ich vermisse dich, Vater,“ spricht er mit zitternder Stimme. Dann legt er einen kleinen Kranz nieder auf dem steht: „Zur Mahnung vor den Schrecken von Hass und Gewalt“. Dann senkt er seinen Kopf in tiefem Respekt und geht wieder einen Schritt zurück.
Die Stille kehrt zurück, fast fühlbar in ihrer Schwere, bis sie von der Bewegung der Frau durchbrochen wird. Eine Träne bahnt sich ihren Weg über ihre Wange. Sie teilt einen stummen, verständnisvollen Blick mit ihrer Tochter, die neben ihr steht. Das Mädchen, holt einen Bilderrahmen aus ihrer Tasche und legt ihn neben den Kranz. Darin: das Bild eines Mannes in Uniform, stolz vor einer blau-gelben Flagge.
Die Stille legt sich erneut, bis der andere, jüngere Mann, sichtlich zögernd, einen Stein hervorholt. Er dreht ihn in seiner Hand, lässt ihn durch seine Finger gleiten, als wolle er Erinnerungen darin fassen. Nach einem langen, nachdenklichen Blick auf die anderen legt er den Stein neben Kranz und Bild. Auf ihm steht mit weißer Farbe geschrieben: „Shalom“.
Sie stehen da, gefangen in einem Moment der Erinnerung und Mahnung, bis die helle Stimme des Kindes die Stille durchbricht: „Ist euer Papa auch im Krieg gestorben?“ Die Frage, unschuldig und doch so schwer, lässt die Männer einander ansehen, bevor sie nickend zum Kind blicken.
Ohne etwas zu sagen, löst sich das Kind von der Hand seiner Mutter und geht auf einen der Männer zu, öffnet seine Arme und umarmt mit festem Blick erst den einen, dann den anderen Mann.
Noch einen Moment stehen die vier da. Dann irgendwann gehen sie, gemeinsam.

Alexander Möller

Alexander Möller

Pfarrer, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Lahde

Mehr als Worte: Hoffnungsworte

Alles ist verloren: Die Heimat, der gewohnte Alltag und die Hoffnung sind verschwunden. Die Aussicht in die Zukunft ist dunkel. Das sind die Zeiten (627 – 587 vor Christus), in denen der Prophet Jeremia gewirkt hat. In seinen Reden und Schriften hat er die Menschen davor gewarnt, Gottes Werte zu ignorieren, den Nächsten zu drangsalieren und das Recht durch Willkür zu ersetzen. Doch niemand hat ihm zugehört oder ihn ernst genommen. Erst als die angekündigte Katastrophe – der Kriegsfall – eintritt, werden die Fragen drängender: Wo ist Gott – oder sind wir doch alleine? Wo handelt er? Ist Gott auch in der Katastrophe zu finden und zu erleben?

Wer am Donnerstag dieser Woche vor der Synagoge in Minden Blumen niedergelegt hat, hat mit dieser Geste am 85. Jahrestag der sog. Reichspogromnacht die Erinnerung wachgehalten, dass dem Antisemitismus und der Gewalt gegen Juden in Deutschland Einhalt geboten werden muss, dass wir aus der Geschichte gelernt haben und dass jüdisches Leben in Deutschland geschützt werden muss.

In schweren Zeiten hat Jeremia gelernt, dass Gott trotzdem da ist und er ist fest davon überzeugt, dass Gott auch in Katastrophen und Krisen zu finden ist. Ja mehr noch, Katastrophen und Leid haben nicht das letzte Wort:
Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung. Jeremia 29,11
In der Katastrophe, in der nichts anderes mehr zu sehen ist, wirkt dieser Text wie ein fernes unwirkliches Licht. Jeremia teilt mit vielen anderen biblischen Personen die Überzeugung, dass die Liebe und die Hoffnung sich durchsetzen werden und stärker sind als aller Hass und jede Gewalt.

Jesus Christus hat es selbst so vorgelebt: Obwohl er unschuldig war, hat er gelitten, obwohl er ohne Sünde war, hat er alle Schuld getragen.

Dieses Vorbild Jesu hatte der Apostel Paulus vor Augen und schrieb in seinem Brief an die Römer Kapitel 12 Vers 21: Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.

Ich wünsche ihnen und mir, dass diese Hoffnungsworte uns Orientierung geben.

Olaf Mohring

Olaf Mohring

Pastor der Kirche am Glacis - Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Minden