
Wort zum Sonntag
Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.
Mündigkeit
In diesen Wochen findet in vielen Kirchengemeinden die Konfirmation statt. Eltern verbinden mit diesem Fest einen oft emotionalen Schritt der Jugendlichen in Richtung erwachsen werden. Ich möchte es mit einem alten Wort ausdrücken: Mündig werden. Und tatsächlich kommen wir damit auch dem ursprünglichen Gedanken der Konfirmation sehr nahe, wie er in der Reformation entwickelt wurde. Der besteht darin, dass heranwachsende Menschen angesichts dessen, dass sie zumeist als Kleinkinder getauft wurden, nun ihr eigenes Ja zu ihrer Taufe und zum Glauben finden. Und dies ist sogar gesetzlich verankert. Religionsmündigkeit ist das Erste, was Menschen zugestanden wird, mit 12 Jahren (alle anderen gesetzlichen Rechte gelten erst mit 16 oder 18).
Es ist stark, diese Religionsmündigkeit mit einem Fest zu begehen, weil es so etwas Wichtiges ist. Aber es soll sich nicht auf einen solchen Akt beschränken. Es kann uns anregen, dass wir alle immer wieder unser Ja zu diesem Gott, der uns mit unserem Leben und seiner Liebe beschenkt hat, finden und ausdrücken. Religionsmündigkeit besteht eben nicht nur darin, dass wir einmal unser Ja oder durch Austritt aus der Kirche ein Nein sagen, sondern dass wir Verantwortung wahrnehmen für unsere Gemeinde und unsere Gesellschaft. Dass wir im Sinne von Jesus Christus diese Welt gestalten und umgestalten.
Dies kann im Einzelfall ganz unterschiedlich aussehen. Das geht in der Gemeinde von Besuchen über musikalisches Mitwirken bis zu Leitungsverantwortung. Es kann ehrenamtliches Engagement in vielen Bereichen sein, in denen ich mich für andere einsetze und so im Sinne Jesu handle.
Das Gute ist: Wir können ein solches Ja zu Gott und seiner Welt zum Ausdruck bringen, trotz aller Widrigkeiten, weil er längst Ja zu uns gesagt hat. Sein Ja zu dieser Welt hat er in Jesus Christus zum Ausdruck gebracht. Sein Ja gilt unabhängig von dem, was wir tun und es gilt auch dann noch, wenn wir versagen.

Andreas Wilmsmeier
Pfarrer, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Hartum-Holzhausen, Pfarrbezirk Hahlen
Was, wenn die Zukunft gut wird?
Ich liebe diese Frage vom Insterkanal des WDR „kugelzwei“, die auch gleichzeitig eine Botschaft transportiert: „Was, wenn die Zukunft gut wird?“ Beides inspiriert mich immer wieder, den Blick anders in die Gegenwart und Zukunft zu lenken. Zu sehr sind wir von momentanen Krisen negativ programmiert. Dabei vergessen wir all das Gute, was um uns herum geschieht. Schlechte Nachrichten ziehen mehr Aufmerksamkeit auf sich als gute. Angst ist ein starkes Gefühl, stärker als Hoffnung und Glück. Angst war über tausende von Jahren lebensnotwendiger als Glück. Angst hat uns gelehrt, gefährliche Situationen zu meiden.
Im neuen Testament der Bibel steht im ersten Petrusbrief: „Gelobt sei Gott… In seiner großen Barmherzigkeit hat er uns neu geboren, denn er hat uns seine lebendige Hoffnung geschenkt, weil Jesus Christus von den Toten auferstanden ist.“
Hoffnung ist nicht das Gegenteil von Angst. Hoffnung schafft die Angst auch nicht ab. Hoffnung ergänzt aber die Angst mit einer sehr wichtigen Emotion und Grundlage. Angst, die uns vorsichtig sein lässt und Hoffnung, die uns mutig macht. So können wir klug und voller Perspektive in die Zukunft gehen.
Die Osterdekoration ist bei vielen schon wieder eingepackt, die Schokolade vernichtet und nach zwei Wochen Schulferien startet am Montag der ganz normale Alltagswahnsinn. ABER: Ostern ist weit mehr als ein Termin im Kalender. Gottes Tat an Ostern strahlt aus. Es ist Gottes Geschenk gegen Krisen, Angst und Hoffnungslosigkeit.
Die Pop-Rock-Band Silbermond singt in einem Lied: „In Zeiten wie diesen, ist es Zeit neu anzufangen, denn in Zeiten wie diesen, gibt es keinen Notausgang.“
Die vielen Versprechen und so scheinbar einfachen Lösungen, scheinen mir eher wie „Notausgänge“, die schnell hergezaubert werden und beruhigen sollen.
Neuanfang, das ist der Kern von Ostern. Neuanfang bedeutet allerdings auch, Altes und vielleicht auch Wichtiges hinter uns zu lassen, damit Neues entstehen kann.
Aber, HEY: „Was, wenn die Zukunft gut wird?“

Friedrich Kasten
Leiter von juenger unterwegs im Evangelischen Kirchenkreis Minden
Ostern 2023 – das Fest der Hoffnung auf Leben
„Wir stehen im Morgen / Tanzlied“ lautet der Titel eines modernen Osterliedes von Jörg Zink. Die beschwingte Melodie von Hans-Jürgen Hufeisen lädt mit ihrem Dreivierteltakt zum Walzertanzen ein. Aber darf man in Zeiten von Krieg in Europa, Inflation im eigenen Land und Klima-Katastrophe weltweit überhaupt fröhlich tanzen und heiter Ostern feiern? Ist das nicht ein Rückzug ins private Glück, so als wäre man mit sich und seiner Familie allein auf der Welt? So fragen manche. Und so ähnlich kommt auch die ev. Kirche in der öffentlichen Wahrnehmung manchmal rüber: moralisch und schwermütig. So wurde sie in der Corona-Zeit teilweise wahrgenommen: In ihrer verantwortungsvollen Sorge um den Gesundheitsschutz strahlte Kirche zuweilen mehr Angst als Hoffnung aus. Jetzt laufen zum 8. April in Deutschland die letzten Corona-Schutzmaßnahmen aus; und wer nimmt es wahr? Keiner kommt auf die Idee, deswegen ein frohes Fest zu feiern. Dabei können wir doch froh und dankbar sein, dass sich das Leben endlich durchgesetzt hat. Nur einen Tag später feiern wir jetzt das Osterfest 2023 – das Fest der Auferstehung und des Lebens. Im Lockdown habe ich es mir oft so sehr gewünscht: Wenn der Spuk endlich vorbei sein wird, feiern wir ein großes Fest und danken Gott, dass er unsre Gebete erhörte und die Pandemie endlich vorbei ist. Und nun? Nun lassen wir uns von den nächsten Krisen niederdrücken und verpassen die Feier der Lebensfreude. Dabei lautet die christliche Osterbotschaft doch: Angst und Leid, Trauer und Tod haben nicht das letzte Wort. Gottes Liebe zum Leben ist stärker. Darum sollte Kirche nicht an ihren Sorgen oder Ängsten erkannt werden, sondern an ihrer lebensfrohen Hoffnung gegen den Tod und seine Mächte in der Welt. Paulus hat das mal so ausgedrückt: „Wir wollen euch aber, liebe Geschwister, nicht im Ungewissen lassen über die, die entschlafen sind, damit ihr nicht traurig seid wie die anderen, die keine Hoffnung haben. Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch die, die entschlafen sind, durch Jesus mit ihm einherführen.“ (1. Thessalonicher 4,13-14). Denn „Christus ist auferstanden von den Toten als Erster unter denen, die entschlafen sind.“ (1. Korinther 15,20). Christen*innen aller Konfessionen feiern zu Ostern die Auferstehung Jesu Christi und damit den Grund ihrer Hoffnung auf Leben, das stärker ist als Tod und Trauer. Solche Hoffnung sollte jetzt tatsächlich gefeiert werden – nicht obwohl sondern gerade, weil jetzt Krieg in Europa, Inflation in Deutschland und Klimawandel in der Welt sind! Das Osterfest zeichnet die Welt nicht für ein paar Tage in schöne Pastellfarben. Die Auferstehung Jesu Christi will gefeiert werden im Aufstand des Lebens gegen den Tod; dessen Mächte wüten noch immer – aber sie dürfen nicht das letzte Wort behalten. Mit dem brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine soll wieder das Recht des Stärkeren mit Gewalt durchgesetzt werden. Wer mit seinen konventionellen Waffen Tod und Verderben bringt und mit seinen atomaren Waffen Angst und Schrecken verbreitet und deshalb meint, sich nehmen zu dürfen, was er erobern kann, darf am Ende nicht Erfolg haben. Wer dem nachgibt, verleugnet das Leben und überlässt dem Tod alle Macht. Christen*innen feiern die Auferstehung Christi, indem sie aufstehen gegen den letzten Anspruch des Todes; ihm widersprechen sie mit der Hoffnung: am Ende steht das Leben in Frieden und Gerechtigkeit für alle Menschen. Der ev. Theologe Christoph Blumhardt hat es so ausgedrückt: „Christen sind Protestleute gegen den Tod!“ Oder wie es in dem erwähnten Osterlied heißt: „Wir folgen dem Christus, der mit uns zieht, stehn auf, wo der Tod und sein Werk geschieht, im Aufstand erklingt unser Osterlied.“ Und so erklingt es immer wieder auch in Minden und Umgebung: Menschen spenden insgesamt 1 Tonne Kerzen, damit Ausgebombte in der Ukraine beides bekommen: Licht und Hoffnung. Mitarbeiter*innen der kreiskirchlichen Flüchtlingshilfe engagieren sich über die Maßen für die zu uns Geflüchteten im Alltag. Ehrenamtliche lassen sich in ihrer Freizeit in 9 Monaten vom Kirchenkreis für die Seelsorge in Altenheimen und Krankenhäusern ausbilden; sie wollen aktiv gegen Vereinsamung angehen, die seit Corona sehr stark zugenommen hat. Die Diakonie Stiftung Salem springt als Trägerin ein, damit das Frauenhaus in Minden seit 1. April weitergeführt werden kann. Kirchengemeinden sammeln Spenden, um obdachlosen Frauen eine Unterkunft in Minden einrichten zu können. In allen ev. Gottesdiensten der Region wurde am 26.2. mit einem gleichlautenden Gebet des Kirchenkreises der Opfer der Erdbeben in der Türkei und Syrien vor Gott gedacht; dieses Gebet haben wir als Solidaritätsadresse der Mindener Moscheegemeinde zugeschickt. Der Kirchenkreis unterstützt seinen Partnerkirchenkreis in Tansania mit einer Soforthilfe; eine Dürre hat dort die diesjährigen Ernten vernichtet in Folge des Klimawandels. Und schon lange fördert die Partnerschaft ein Trinkwasserprojekt vor Ort. Manche mögen denken: solche Aktionen sind ja nur Tropfen auf den heißen Stein. Aber die Ostergeschichte beginnt ja damit, dass der Stein vom Grab wegbewegt wird, weil Christus von den Toten aufersteht und mit ihm die Hoffnung auf Leben gegen den Tod. Oder wie es in dem bereits zitierten Lied weiter heißt: „Wir stehen im Morgen. Aus Gott ein Schein durchblitzt alle Gräber. Es bricht ein Stein, erstanden ist Christus. Ein Tanz setzt ein.“ So können wir Ostern 2023 fröhlich feiern: Indem wir die Hoffnung teilen mit Menschen, die noch ohne Hoffnung sind. Dazu müssen wir einander nur wahrnehmen und wertschätzen. So wie am 25. März: da wurden alle mit Leitungsverantwortung in Gemeinden und Kirchenkreis eingeladen. Trauriger Anlass ist die mehrfache Krise der Kirche: Immer weniger Mitglieder, weniger Geld, weniger Pfarrpersonal – Kirche muss sich kleiner setzen, neu aufstellen, von Altvertrautem Abschied nehmen – lauter Gründe für Trauer, Angst und Depression. Die 200 Menschen aber, die zum Zukunftstag kamen, entwickelten neue Visionen von Kirche, die nicht an den Grenzen der je eigenen Gemeinde enden. Denn man nahm einander in den Blick und verabredete sich: Zukünftig wollen Gemeinden ihre Arbeit in Regionen koordinieren und ihr weniger werdendes Personal gemeinsam planen. So wurde eine Aufbruchstimmung geweckt, weil sich Menschen als Bereicherung wahrnehmen und ihre Hoffnung miteinander teilen. Das Motto des Zukunftstages „Wer aufbricht, der kann hoffen“ wurde im Abschlussgottesdienst erlebbar: 200 Menschen, die einander kaum kannten, bildeten beim Abendmahl einen großen Kreis in der Marienkirche. Die Kraft österlicher Hoffnung war im Raum. Ein Zeichen nur, aber voller Zuversicht. Die Feier wurde zu einem Ostergottesdienst – mitten in der Passionszeit. Da fehlte nur noch der Tanz des Osterliedes.
Liebe Leser*innen, ich wünsche Ihnen gesegnete Ostern 2023 – ein frohes Fest der Hoffnung auf Leben.

Michael Mertins
Superintendent, Kirchenkreis Minden