
Wort zum Sonntag
Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.
Gedanken zum Sonntag Rogate
Die drei Tage vor Christi Himmelfahrt sind traditionell Tage des Gebets für eine gelungene Ernte. Der Sonntag Rogate (deutsch: betet) eröffnet diese Zeit. Im breiten Bewusstsein der Bevölkerung ist eher das Erntedankfest im Herbst verankert. Aber eigentlich gehört das Bitten v o r das Danken. Das Gebet steht am Anfang und nimmt gedanklich vorweg, was für eine gute Ernte nötig ist: „Regen bräuchten wir, Sonnenschein, nicht zu viel Kälte …“ Das Gebet beschäftigt sich also gedanklich auch mit dem möglichen Scheitern: Wenn die Umstände nicht für uns sind, geschieht unsere Arbeit umsonst. Im Gebet steckt demnach das Bewusstsein über die Grenzen des eigenen Handelns. Wissen, woran man scheitern kann, wissen, was man nicht in der Hand hat, all das steckt im Gebet. Im Hinblick auf das Thema des Sonntags „Rogate“, also „Betet!“, sind das gute Hinweise, was ein Gebet ausmacht: Nicht Naivität, dass man denkt, Gott erfülle alle Wünsche. Sondern, dass man sich vertrauensvoll an Gott wendet, weil man um die Grenzen der eigenen Möglichkeiten weiß. Beten soll uns nicht vom eigenen Handeln abhalten. Beten führt uns aber zu der Frage: Was kann ich eigentlich selber leisten? Um diese letzte Frage geht es in einer bekannten Geschichte:
Ich trat in den Laden Gottes ein und sah einen Engel hinter dem Verkaufstresen. „Heiliger Engel, was verkaufst du?“, fragte ich. „Alle Gaben Gottes. Und ich verkaufe sie nicht. Alles ist kostenlos.“ Ich sah mich im Laden um. Die Kästchen und Schubladen waren beschriftet:
Vertrauen, Zufriedenheit, Glück, Mut und noch mehr. Mutig bat ich: „Ich möchte gerne ein bisschen Glauben und viel Glück für meine Familie und mich. Dazu für die ganze Welt Frieden, Gerechtigkeit und Wohlstand!“ Der Engel des Herrn schnürte ein kleines Päckchen, das leicht in meiner Hand Platz hatte. Überrascht fragte ich: „Hast du alles, um was ich bat, in dieses winzige Päckchen getan?“ Lächelnd antwortete der Engel: „Mein lieber Kunde, im Laden Gottes verkaufen wir keine Früchte, es gibt nur Samen.“ (Quelle unbekannt)
Gebet ist Hoffnung in Aktion, hat der Theologe Jochen Margull einmal formuliert. Beten setzt den Glauben voraus, dass Gott über meine eigenen Grenzen hinaus gehen kann und es auch tut. Je düsterer ich die Gegenwart erlebe und frustriert auf meine eigenen Grenzen schaue, umso mehr macht Beten Sinn.
Ihnen allen einen gesegneten Sonntag Rogate

Michael Brandt
Pfarrer, Evangelisch-Lutherische St. Jakobus Kirchengemeinde
Was Ermutigendes. Frieden. Hoffnung.
Paul hat eine Idee
Ich schreibe das Wort zum Sonntag. Sobald mir was einfällt. Was Ermutigendes. Über Frieden. Mit Hoffnung. Brauchen wir doch alle gerade.
Eine Stunde später ist mein Blatt immer noch leer. Ich geh erstmal in den Garten. Hock mich in’s Beet. Zupfe ein bisschen vorwitzigen Löwenzahn. Und wundere mich, wo diese unglaublich prächtigen Tulpen herkommen. Scheinbar hab‘ ich letztes Jahr noch Tulpenzwiebeln verbuddelt. Wow. So schön.
Zack hab‘ ich einen Ohrwurm: Geh aus mein Herz und suche Freud in dieser lieben Sommerszeit an deines Gottes Gaben. Und: Narzissen und die Tulipan, die ziehen sich viel schöner an als Salomonis Seide. Paul Gerhard hat das Lied gedichtet. Ist schon ein paar Jahrhunderte her. Da brauchten die Leute auch was Ermutigendes. Hoffnung. Frieden.
Denen hat Paul Gerhard damals empfohlen: Geh mal raus. Guck dir alles an, was schön ist. Stell dir vor, dass Gott dir das Schöne zum Geschenk macht. Damit du weißt, dass du nicht vergessen bist. Sondern geliebt. Damit du weißt, dass der himmlische Gärtner dich mit allem was lebt und atmet in seiner Hand hält. Trotz allem, was das Leben bedroht. Du kannst an deinem Platz wachsen und blühen und das Deine tun, um dem Leben zu helfen. Einfach genau hingucken. Und dann mitmachen. Danke, Paul, sage ich. Gutes Wort zum Sonntag. Und schön, dass du uns in deinem Lied (das findet sich unter der Nummer 503 im Evangelischen Gesangbuch und unter der Nummer 826 im Gotteslob) in der 14. Strophe auch noch ein Gebet aufgeschrieben hast:
Mach in mir deinem Geiste Raum, dass ich dir werd ein guter Baum und lass mich Wurzel treiben. Verleihe, dass zu deinem Ruhm ich deines Gartens schöne Blum und Pflanze möge bleiben. Amen dazu.

Catharina Bluhm
Pfarrerin, Evangelisch-Lutherische St.-Simeonis-Kirchengemeinde
Wetterfest glauben
Die wirkliche Temperatur ist das eine, die gefühlte das andere. Im warmen Juni sagte mir mal eine Nachbarin, wir hätten mit Sicherheit 36 Grad. Ich war neugierig und hab’s kurz überprüft: es waren „nur“ 29 Grad. Aber klar: Habe ich eine fiese Erkältung, klappern mir schon bei 20 Grad die Zähne. Bekommen Menschen Hitzewallungen, reißen sie manchmal schon bei 10 Grad die Fenster auf.
Im Glauben ist es ähnlich: Es gibt eine „gefühlte Glaubenstemperatur“. Dem einen gibt der Glaube an Gott Stabilität und Kraft, der Glaube fühlt sich wohlig und warm an. Der anderen dreht sich beim Thema „Glaube“ der Magen um, weil das Leben sie schon zu oft geschüttelt und gerührt hat, als dass sie einfach so weiterglauben könnte. Die gefühlte Glaubenstemperatur ist völlig unterkühlt.
In einer Zeile aus dem alten Kirchenlied „So nimm denn meine Hände“ haben Menschen schon häufig Trost gefunden: „Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht – du bringst mich doch zum Ziele, auch durch die Nacht.“ Vielleicht ist das Lied auch deshalb so berühmt geworden, weil es Menschen aus dem Herzen spricht, die beides durchleben: Glauben und Zweifeln. Gewissheit und Verzagtheit. Wohltemperierte und unterkühlte Glaubensphasen.
Echter Glaube hängt aber weder vom Wetter ab, noch von unserer gefühlten Glaubenstemperatur.
Unser Glaube soll sich auf feste Zusagen gründen. Denn Gott geht mit uns durch die bitterkalte Nacht ebenso wie durch die heiße Mittagssonne.
„Sind wir untreu, so bleibt er doch treu; denn er kann sich selbst nicht verleugnen“, schreibt Paulus im Neuen Testament (2. Timotheus 2,13).
Darauf will ich mich verlassen. Und darauf kann ich mich verlassen. Besonders dann, „wenn ich auch gleich nichts fühle …“

Thomas Berneburg
Pfarrer der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Lerbeck, Pfarrbezirk II (Meißen und Neesen)