Dieser schon immer wertvolle Satz von Dag Hammerskjöld, den ersten Generalsekretär der Vereinten Nationen, hat für mich eine ganz neue praktische Bedeutung gewonnen in diesen Tagen. Denn meine Frau fand neulich heraus, dass wir das Sehvermögen durch Spazierengehen trainieren können.
Nicht aber das, wie mittlerweile die meisten von uns es tun: Versunken im Karussell der Gedanken, beschäftigt mit Plänen, innerlich unruhig, nur irgendein Ziel ansteuernd, vielleicht noch mit dem Blick auf das Handy dabei? Das alles wird nicht helfen abgesehen von der Bewegung, dem Tageslicht und der frischen Luft, was immer noch besser ist als die freiwilligen Dauer-Lockdowns der massenhaft Mediensüchtigen im Post-Corona-Modus.
Den Augen aber hilft es nur, wenn ich beim Spazieren immer wieder den Blick in die Weite richte, in den Himmel, in die Bäume, in die ferne und dann wieder in die nahe Umgebung: Immer hin und her.
Dadurch müssen die Augen immer wieder ihre Schärfe anpassen und werden trainiert. Ich probierte es aus und auf einmal fühlte ich mich an das Spazieren erinnert, wie ich es als Kind mit meinen Eltern tat. Ich sah wieder die Vögel in den Bäumen, ich sah die Häuser einer Siedlung in ihrer Vielfalt und ich verstand, warum mein Jüngster beim Autofahren oder auf Zugreisen immer so viele Tiere entdeckte. Es ist das, was Achtsamkeitstrainer heutzutage mühsam gestressten Menschen versuchen beizubringen, dabei ist es eigentlich ganz alt und einfach.
Für mich ist es eine spirituelle Erfahrung, denn Gott ist nicht das Abbild des alten weißen Mannes im Himmel und seiner Selbst- und Erdenausbeutung, sondern ist als Geist hinter all seiner Schöpfung erfahrbar. Und darin sehe ich auch u.a. einen Sinn im Fasten, wieder die Sinne zu gebrauchen, die getrübt sind durch alles, womit wir uns Überfluten beim Essen, an medialen Bildern, in der Hast beim Bewegen von A nach B. Denn leidgeprüft werden wir auch so, das weiß ich als Klinikseelsorger. Aber wir hätten die Chance, beim Spazieren die Batterien aufzuladen unter der Überschrift des dritten Sonntags der Passionszeit, Okuli: Meine Augen sehen stets auf den Herrn.
Probieren Sie es aus und vielleicht finden Sie sich auch im Weitblick Gottes in der leidgeprüften Welt wieder zurecht.
Oliver Vogelsmeier
Krankenhauspfarrer am Johannes Wesling Klinikum in Minden