Minden. Was kann Menschen zusammenbringen in einer zersplitterten pluralen Welt, in der Kulturen, Religionen und Ideologien häufig dazu genutzt werden, vermeintlich unüberwindbare Gegensätze zu konstruieren und Menschen voneinander abzurücken? Eine gemeinsame Veranstaltung des Lions Clubs Minden, der Offenen Kirche St. Simeonis und der Türkisch-Islamischen Gemeinde zu Minden wagte ein Experiment und brachte zwei Menschen miteinander ins Gespräch: Dschelaleddin Rumi, der größte Dichter der mystischen Tradition im Islam (Sufismus), und Mechthild von Magdeburg, die mit ihrem Buch „Das fließende Licht der Gottheit“ das erste volkssprachliche mystische Werk der deutschen Literatur geschaffen hat. Rumi wie Mechthild, der persische Sufi wie die deutsche Mystikerin, beide im Jahr 1207 geboren, nutzen in ihrer Dichtung in teils verblüffend gleichen Bildern die menschliche Liebe als Spiegel der universalen göttlichen Liebe, die dem einzelnen Menschen wie der ganzen Menschheit Sinn und Erfüllung verleiht. Nur durch Liebe können Menschen Frieden finden – mit sich selber, den Mitmenschen, der Natur, mit Gott. Die Veranstaltung führte einen doppelten Dialog: Musikalisch spielten – im wahren Sinn des Wortes – auf virtuose Weise Murat Çakmaz (orientalische Rohrflöte / Nay) und Susanne Burgschweiger (Querflöte) mit Melodien und Rhythmen vielfältiger Traditionen „zwischen Ost und West“. Faszinierend: Die beiden Musizierenden hatten zuvor noch nie miteinander gespielt und sich erst vor Konzertbeginn aufeinander abstimmen können. Auf literarischer Ebene waren Rumis und Mechthilds Texte im intensiven Gespräch. Johanna, Zainab und Ebrar – Schülerinnen des Herder-Gymnasiums Minden – meisterten die fast unlösbare Aufgabe, 800 Jahre alte Worte unter Beachtung ihrer sprachlichen und inhaltlichen Kontexte für heutige Ohren zu Gehör zu bringen, mit Bravour, unterstützt von Peter Kock. Im Anschluss an Konzert und Lesung kamen nun die Besucherinnen und Besucher miteinander ins Gespräch, im geselligen Beisammensein rund um die Tafel mit mediterranen Spezialitäten. Historisch weit voneinander entfernte Kulturen können verbinden, wenn das in ihnen enthaltene universale Erbe humanistischer Werte zu Sprache und Gehör gebracht wird: Es ist zu hoffen, dass Veranstaltungen wie diese häufiger unternommen werden.
(Beitrag von Pfarrer Andreas Brügmann / Offene Kirche St. Simeonis)