Sollte Sie eines Tages ein Engel ansprechen und Ihnen verheißen, Sie würden ohne Zutun eines Mannes ein Kind empfangen, dann fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Sollten Sie nach einigen Tagen sicher sein, dass Sie schwanger sind, dann weisen Sie sich möglichst schnell nach Lübbecke ein. Real erlebte Scheinschwangerschaften sind in der Regel Symptome einer gefährlichen Schizophrenie.

Am 08. Dezember feiern Katholiken ein eigenartiges Fest: ”Maria Empfängnis“, bei der ein Engel eintritt und Maria ein göttliches Kind verheißt, den Sohn Gottes. Auf die einigermaßen irritierte Frage der unverheirateten Maria antwortet der Engel: „Heiliger Geist wird über Dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird Dich überschatten“.

Eine Halluzination, ein Traum oder ein biblisches Bild mit gewaltigem religiösen Anspruch?

Die Juden kannten aus dem Buch Genesis das Bild vom Geist, „der die Urflut überschattete“ , über ihr schwebte. (Gen. 1,2) Damals begann die Schöpfung und jetzt mit der Verkündigung des Retters Jesus eine Neuschöpfung, ein Neuanfang.

Auch dass Gott einen Menschen ein zweites Mal „zeugt”, war für die Juden nichts außergewöhnliches. Bei der Einsetzung der jüdischen Könige wurde ein Psalm gesungen: „Mein Sohn bist Du, heute habe ich Dich gezeugt…“ Kein Jude hätte daran gezweifelt, dass Salomo der biologische Sohn Davids sei.

Markus scheint keine Jungfrauengeburt zu kennen, aber er beginnt sein Evangelium mit den Worten: „Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes…“ Und bald darauf fährt er fort mit der Taufe das Herrn: Aus der Wolke, dem Zeichen der göttlichen Gegenwart, sieht Jesus den Geist auf sich herabkommen, und aus der Wolke hört er die Stimme: „Du bist mein geliebter Sohn, an Dir habe ich mein Wohlgefallen“ (Mk 1,10-11). Auch hier Überschattung, Herabkunft des Heiligen Geistes.

In all dem geht es um Gottessohnschaft, nicht um Gynäkologie oder Biologie. Und wenn moderne Menschen glauben, sie seien nichts mehr als das zufällige Produkt der Evolution, dann stellt das Christentum nicht die Evolution in Frage, sondern der Glaube sagt: Sie sind unendlich viel mehr, Sie sind Schwestern und Brüder des Sohnes Gottes, auch Sie selber sind Töchter und Söhne des göttlichen, nichtbiologischen Vaters.

 

Wolfgang Ricke

Wolfgang Ricke

kath. Pfarrer am Johannes Wesling Klinikum Minden