Im Netz trifft man auf den „Wahl-O-mat“. 38 Thesen, zu denen die Parteien sich geäußert haben, sollen mir helfen, mich zu orientieren. In der Bibel bin ich auch auf einen „Wahl-O-mat“ gestoßen. Im fünften Buch Mose (30,1-20) fordert Gott eine Volksabstimmung. Einige der Stämme Israels waren nach langen Jahren des Exils aus Babylon in ihre Heimat zurückgekehrt. Aber viele hatten in der Fremde ihren Glauben an Gott verloren. Der stellt nun jeden einzelnen der Heimkehrer vor die Wahl: „Sieheich lege dir vor Leben und Tod, Segen und Fluch. Wähle das Leben!“ Eine Steilvorlage. Wähle das Leben!

 

Aber wie setze ich das morgen in der Wahlkabine um? Indem ich Parteien und ihre Programme daraufhin prüfe, ob und wie sie dem guten Leben für alle dienen. Wie schaffen sie sozialen Ausgleich, damit die Gesellschaft nicht noch mehr in „arm“ und „reich“ auseinanderfällt? Was sagen sie zur Migration? Was tun sie für Frieden und die Versöhnung der Völker? Wie wollen sie die Erderwärmung stoppen und die Ressourcen schonen? In der Hoffnung, dass diese Programme eingehalten werden, gebe ich am Ende meine Stimme der Partei, deren Aussagen mir am nächsten stehen. Ein Kompromiss, natürlich.

 

Und sicher müssen auch nach der Wahl Kompromisse ausgehandelt werden, um überhaupt eine Regierung zu bilden. Oft macht sich da Enttäuschung und Skepsis breit. Und doch: Für mich bleibt es selbstverständlich, zu wählen. Ich bin dankbar in einem demokratischen Staat zu leben, der die Würde und das Leben des Menschen achtet und schützt. Auch wenn nicht alles problemlos läuft. Auch wenn nach der Wahl wieder neu verhandelt, gestritten, entschieden werden muss, um diesem Wert gerecht zu werden.

 

Aber das müssen nicht nur jene, die sich zur Wahl stellen. Dazu müssen wir alle beitragen, auch mit unserer Stimmabgabe. Eine einzige Wählerstimme bringt zwar nur ein leichtes Gewicht auf die Waage. Ich lege ich es dennoch bewusst in jene Schale, die sich dem Leben und nicht dem Tod, dem Segen und nicht dem Fluch zuneigt.

Petra Ottensmeyer

Petra Ottensmeyer

Pfarrerin, Telefonseelsorge Ostwestfalen